Lohnt sich „grün“ überhaupt?
Bei grünen Finanzierungen entstehen zusätzliche Kosten durch die erhöhten Anforderungen an Transparenz und Reporting. Es muss nachgewiesen werden, dass die Mittel tatsächlich einen positiven Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten. Das erfordert in der Regel eine unabhängige Agentur, die das Projekt prüft und zertifiziert.
Diese Kosten sorgen dafür, dass viele Unternehmen zwischen „theoretisch ja“ und „praktisch nein“ schwanken. Eine Umfrage der Fachzeitschrift „Der Treasurer“ ergab, dass 58 Prozent der befragten Finanzverantwortlichen grundsätzlich an Green Finance interessiert sind, aber nur zwei Prozent konkret tätig geworden sind.
Das „Greenium“ einstreichen
Dabei können sich grüne Finanzierungen für Unternehmen auch betriebswirtschaftlich rechnen. Unbestritten sind die Imageeffekte und das zusätzliche Maß an finanzieller Sicherheit durch eine breitere Investorenbasis. Das kann vor allem bei nachlassender Konjunktur ein schlagendes Argument werden. Weniger leicht zu beantworten ist die Frage nach den Zinsvorteilen.
LBBW-Analyst Martin Dresp schließt nicht aus, dass Investoren bei einem überzeugenden grünen Profil eine etwas niedrigere Rendite in Kauf nehmen. „Dadurch könnten Emittenten einen zusätzlichen Anreiz zur Emission von Green Bonds statt herkömmlicher Anleihen bekommen“, schreibt er in der LBBW-Studie „Grüne Finanzierungen auf dem Vormarsch“. Dafür gibt es bereits erste Beispiele. So hat Schwedens größter Waldbesitzer Sveaskog, der sich für eine nachhaltige Forstwirtschaft einsetzt, 2016 einen Green Bond emittiert und es geschafft, einen Finanzierungsvorteil von acht Basispunkten zu erzielen. Dieser Vorteil durch grüne Finanzierungsinstrumente wird „Greenium“ genannt.
Dieses Greenium könnte durch neue politische Aktivitäten noch relevanter werden: Der im März 2018 vorgelegte Aktionsplan der EU-Kommission setzt sich zum Ziel, verstärkt Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen zu lenken. Die Europäische Union (EU) will dazu unter anderem einen Kriterienkatalog für Green Finance einführen. Derzeit wird darüber diskutiert, welche weiteren Anreize man in der Europäischen Union für Green Finance schaffen kann. Daraus könnte ein mehr oder weniger sanfter Druck hin zu grünen Finanzierungen entstehen. Unternehmen und auch andere Bondemittenten, die sich bereits jetzt mit dem Thema beschäftigen, hätten dann einen Vorsprung. Zumal sich die EU für mögliche verbindliche Regeln sehr stark an den bereits etablierten Green-Bond-Principles orientiert.
Unabhängig davon bietet Green Finance für Unternehmen die Chance, den aktuellen Trend zu nachhaltigem Agieren zum eigenen Vorteil zu nutzen. Die Beispiele der Elektromobilität oder der Energiewende im Versorgersektor zeigen eindrücklich, wie der Nachhaltigkeitsgedanke diverse Branchen schnell und mit Wirkmacht erfassen kann. „Der Klimawandel und ein steigender Ressourcenverbrauch werden mittelfristig zu veränderten Geschäftsmodellen und Unternehmensstrategien führen“, sagt LBBW-Analyst Dresp. „Green Finance kann dabei helfen, einen Prozess des Umdenkens anzustoßen, der ohnehin in näherer Zukunft begonnen werden müsste.“