Satte acht Jahre nach Teil 2 ist es endlich soweit: Mit Bayonetta 3 erscheint exklusiv für die Nintendo Switch ein neues Action-Spektakel der kampflustigen Hexe des Umbra-Clans. Unser Autor Michael hat das Abenteuer zweimal durchgespielt und verrät in seinem Test, ob sich das neueste Werk von Platinum Games trotz technischer und spielerischer Ermüdungserscheinungen lohnt!
Schweres Leben
Bayonetta ist seit jeher hart vom Schicksal gebeutelt: Erst veröffentlichte Sega 2009 den ersten Teil für Xbox 360 und beauftragte für die PS3-Umsetzung statt Platinum Games ein externes Studio, das eine deutlich schwächere Version produzierte. Trotz überschwänglicher Kritiken, zumindest für die Xbox-360-Version, blieb der große finanzielle Erfolg des von Devil May Cry-inspirierten Werks aus. Deshalb benötigte Platinum Games fünf Jahre und das beherzte Einspringen ausgerechnet von Nintendo, um eine Fortsetzung zu finanzieren. Dabei passen die ebenso brutalen wie sexy inszenierten Hexen-Scharmützel so gar nicht zum familienfreundlichen Image des Traditionsunternehmens. Bayonetta 2 erschien 2014 zunächst auf der erfolglosen Wii U, erneut begleitet von einer Menge Kritikerlob. Erst 2018 wurden beide Spiele für Switch wiederveröffentlicht, Teil 1 aber nur als Download-Variante. Auch um Teil 3 stand es lange Zeit schlecht: Acht Jahre benötigte Platinum Games unter Führung von Devil May Cry-Erfinder Hideki Kamiya, um das Spiel zu finanzieren und fertigzustellen. Kein Wunder, schließlich war das japanische Studio in der Zwischenzeit mit Hits wie NieR: Automataaber auch dem Mega-Flop Babylon's Fall sowie dem eingestellten Microsoft-Titel Scalebound beschäftigt. Hieran betrieb Platinum Games fleißig Resteverwertung, wie das größte neue Spielfeature von Bayonetta 3 zeigt. Doch dazu kommen wir später...
Neue Bedrohung, neue Helden
Jede Waffe birgt eine neue dämonische Gestalt mit individuellen Fähigkeiten, um den oftmals riesigen Gegnern einzuheizen. Manchmal sind es aber auch einfach nur glibberige Eier, die kleine Feinde ausspucken.
Das Multiversum ist in Gefahr: Eine schurkische Entität namens Singularity trachtet danach, alle Universen zu erobern. Gemeinsam mit Neuzugang und Hexenkollegin Viola sowie ihren altbekannten Gefährten Jeanne, Rodin und Luka stellt sich Bayonetta 14 Kapitel lang dieser neuen Bedrohung in den Weg. Hierfür bereist sie verschiedene Dimensionen und begegnet dabei sogar anderen Versionen ihrer selbst. Singularitys Schergen sind nicht länger die goldenen Engelskrieger aus dem Himmelsreich Paradiso und auch nicht die rot-violetten Dämonen aus Inferno, wie wir sie in Teil 2 kennengelernt haben. Die neue Feindgattung heißt Homunculi und ist zumeist silber-türkis-lila. Rund 30 verschiedene Gegnertypen haben es ins fertige Spiel geschafft. Ganz anders als im spielerisch ähnlichen Devil May Cry, aber typisch für die Bayonetta-Reihe handelt es sich dabei selten um handliches Fußvolk, sondern meist um turmhohe Kreaturen und Konstruktionen, aber auch fliegende Quallen, stationäre Feindgeneratoren und natürlich Bosse. Viele Bosse. Gewaltige Bosse.
Prügeln, was das Zeug hält
Weil Bayonetta meist gegen riesige Kontrahenten antritt, geht im Effektspektakel mitunter die Übersicht verloren.
Im Kern folgt Bayonetta 3 der Blaupause seiner beiden Vorgänger: Ihr erkundet meist schlauchige Levels, die diesmal teilweise weitläufiger ausfallen als bislang – was zum Erkunden einlädt. Alle paar Minuten erreicht ihr eine Arena. Eine Barriere sperrt das Gebiet ab, eine Handvoll Feinde erscheint und ein treibender Jazz-Orchester-Mix animiert zur Bewegung. Eine Taste ist für Schläge, eine für Tritte reserviert. Eine dritte feuert Bayonettas Pistolen ab und hält so die Angriffscombo am Laufen, falls ihr Euch mal etwas weiter von Gegnern entfernt. Ziel ist es, so den Combo-Zähler in die Höhe zu treiben, gleichzeitig Eure Attacken zu variieren, Treffer zu vermeiden und obendrein auch noch möglichst schnell zu sein, um die bestmögliche Abschlusswertung nach den einzelnen Gefechten, hier "Verse" genannt, zu erlangen. Tiefgang erhält das Kampfsystem dadurch, dass ihr die Angriffstasten sowohl kurz antippen als auch länger gedrückt halten könnt, um verschiedene Attacken auszuführen. Dazu gesellen sich Spezialattacken, für die ihr Button-Kommandos mit Bewegungen des Analogsticks kombiniert. Um diese zu kaufen, müsst ihr wiederum erst Dämonenblut durch erfolgreiche Combos verdienen.
Das Amulett "Moon of Mahaa-Kalaa" kennen Serienfans seit dem Erstling. Drückt den Analogstick im richtigen Moment in Richtung Feind, dann verpufft der Angriff. Diesmal ist das Amulett preisgünstiger und erweitert dadurch viel früher das Move-Repertoire.
Erfreulicherweise dürft ihr die kaum überschaubare Menge an Tastenkombinationen während der Ladepausen vor jedem Level sowie in Rodins neuem Übungsraum nach Belieben ausprobieren. Ein weiteres prägendes Spielfeature ist seit Teil 1 die Hexenzeit: Droht ein feindlicher Treffer, weicht ihr im letzten Moment per Schultertaste aus. Der Bildschirm färbt sich lila, die Zeit verlangsamt sich und Bayonetta erhält die Chance auf deftige Gegenangriffe. Das Timing ist großzügig, zudem versteckt sich hier eine wesentliche Mechanik für Combo-Profis: Super-Ausweichen alias "Dodge Offset". Blocken kann unsere Hexe nämlich nicht, dafür weiß sie aber, dass man eine Angriffstaste gedrückt halten und dann ausweichen kann, ohne dadurch die Angriffskette zu unterbrechen. Prinzipiell ist der Combo-Zähler aber recht gnädig und bietet ein großes Zeitfenster, dass selbst ein feindlicher Treffer nicht zum Abbruch führt.