Charlie Hunnam in Indien
Flüchtiger mit Welpenblick – Actionserie „Shantaram“ startet bei Apple TV+
Fiebrige Kultur Indiens: Lin (Charlie Hunnam) erlebt in der Apple-TV+-Serie „Shantaram“ 1000 Abenteuer.
Quelle: Roland Neveu/AppleTV+
Die Apple-TV+-Serie „Shantaram“ über eine atemlose Verfolgungsjagd durch Bombay (bereits streambar) analysiert bei aller Action auch das Innenleben der Charaktere. Hintergründig macht die Mischung aus „Papillon“ und der Netflix-Serie „Stateless“ dem Chaos der anarchistischen, aber solidarischen Gesellschaft Bombays eine Liebeserklärung.
Actionthriller sind wie Rummelplätze. In der Regel ist es dort zu schnell, zu laut, zu voll, zu zuckrig für nachhaltiges Erinnern. Höhe, Tempo, Licht, Getöse schlagen Tiefe, Einkehr, Schatten, Stille, komprimiert in 80Sekunden Achterbahnfahrt für stolze 6,50Euro. Aber dieses Gefühl von Gefahr mit Unversehrtheitsgarantie: unbezahlbar! Ungefähr wie „Shantaram“– eine Achterbahnfahrt von elf Stunden Länge zum Preis eines Apple-TV+-Abos. Wobei– Achterbahnfahrt…
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Schon im gleichnamigen Bestseller von Gregory David Roberts, der darin sein wildes Leben auf 1000 Seiten Revue passieren lässt, erlebt der australische Bankräuber Lindsey Ford eine Kettenreaktion persönlicher Katastrophen, die locker fünf Bücher füllen könnte. Nun haben Steve Lightfoot („The Punisher“) und Eric Warren Singer („Top Gun: Maverick“) daraus einen Zwölfteiler gemacht, der alle Desaster seines Alter Ego noch atemloser auftürmt als im Tatsachenroman.
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Er beginnt 1982. Lin (Charlie Hunnam), wegen zahlloser Verbrechen zur Finanzierung seiner Drogensucht in langjähriger Haft, bricht aus dem berüchtigten Pentridge Prison au. Und schon die zehnminütige Flucht ist an Dramatik schwer zu steigern. Wird sie aber. Denn kaum, dass er mit gefälschtem Pass und väterlichem Rat (keine Waffen, kein Heroin, keine Gewalt) nach Indien reist, um in Bombays Anonymität abzutauchen, besteigt der Flüchtling die nächste Actionthriller-Achterbahn. Dabei sah es zunächst nach einer beschaulichen Gondelfahrt aus.
Indiens fiebrige Kultur zieht Held Lin in ihren Bann und spuckt ihn wieder aus
Der eingeborene Prabhu (Shubham Saraf) wird zügig vom Guide zum Freund. Die rätselhafte Schweizerin Karla (Antonia Desplat) bietet ihm in der anglofonen Exilgemeinde berufliche, aber auch emotionale Perspektiven. Und auch Indiens fiebrige Kultur zieht Lin in ihren Bann– bis sie ihn wieder ausspuckt.
Am Ende des ersten Teils wird er beraubt und muss sich fortan ohne Geld, Papiere und Hoffnung durch eine Stadt schlagen, wird zusätzlich von seiner Vergangenheit eingeholt. Und durch Rückblenden in einen Folterkeller erfahren wir: Die war sogar noch schlimmer als Lins Gegenwart.
Falscher Spitzname: „Shantaram“ heißt „göttlicher Frieden“
Dank dieser Kaskade schmerzhafter Heimsuchungen könnte der Spitzname, den Prabuhs Mutter dem physisch wie psychisch vernarbten Schmerzensmann wegen seiner goldblonden Haare verleiht, kaum abwegiger sein: „Shantaram“ heißt „göttlicher Frieden“. Vollkommen irreführend im Teufelskreis erfolgloser Emanzipationsversuche. „Du wirst mich niemals so sehr kriegen wollen, wie ich mich nach Freiheit sehne“, sagt er im Staffelfinale zwar zu einem seiner zahllosen Verfolger und mag damit recht haben. Erlösung aber bringt ihm diese Gewissheit nicht.
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Apropos Erlösung: Ein wenig fragt man sich, warum die Regisseure Justin Kurzel und Bharat Nalluri ihre Titelfigur mit einem Darsteller besetzt haben, der optisch an eine Art Jesus Christus mit Waschbrettbauch erinnert, den Charlie Hunnam auch noch bei jeder Gelegenheit blankzieht. Zumal er darunter von einer geläuterten Reinheit zu sein scheint, die sich im lachhaft verhuschten Rehblick des „guten Zuhörers“ widerspiegelt– so lobt die (natürlich ebenso hinreißende) Karla ein traumhaftes Wesen, das von Krankenhausgründer bis Friedensrichter alles sein darf, was das Feelgoodfernsehherz begehrt.
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Das allerdings sind Äußerlichkeiten einer Serie, der es trotz allem Schau- und Actionwert spürbar um die inneren Werte ihrer Protagonistinnen und Protagonisten und deren Umfeld geht. „Shantaram“ ist nämlich nur oberflächlich ein Verfolgungsthriller. Hintergründig macht die Mischung aus „Papillon“ und der Netflix-Serie „Stateless“ mit einer Prise von Guy Ritchies Räuberpistole „Snatch“ dem Chaos der anarchistischen, aber solidarischen Gesellschaft Bombays eine Liebeserklärung.
Und Apple TV+ lässt sie als malerische Dystopie im Stile William Turners filmen.
„Shantaram“, erste Staffel, zwölf Episoden, von Steve Lightfoot, Eric Warren, Regie: Justin Kurzel, Bharat Nalluri, mit Charlie Hunnam, Shubham Saraf, Antonia Desplat, Sujaya Dasgupta, Elektra Kilbey, Fayssal Bazzi (bereits streambar bei Apple TV+)